Compliancemanagementsysteme im Umweltbereich
Complianceforum.de im Gespräch mit Dr. Matthias Weigand, Ministerialrat, Leiter des Referats Fachübergreifendes Recht, Bayerisches Staatsministerium für Umwelt und Gesundheit
Complianceforum.de:
1) Wie sieht das zukünftige Verhältnis von staatlichen Institutionen und Unternehmen im Umweltbereich aus?
Dr. Matthias Weigand:
Grundsätzlich ist das Verhältnis von staatlichen Institutionen und Unternehmen auch im Umweltbereich von Bürokratie und einem aktiven Vollzug geprägt. Das dabei regelmäßig geltende Über-Unterordnungsverhältnis hat der Freistaat Bayern schon frühzeitig gemeinsam mit der Wirtschaft durch Abschluss des Umweltpaktes Bayern durchbrochen. Bereits 1995 (zuletzt 2005) haben der Freistaat Bayern und die Vertreter der Wirtschaft erstmals den Umweltpakt Bayern unterzeichnet. Er ist die Basis für eine zukunftsorientierte Zusammenarbeit zwischen Staat und Wirtschaft in Umweltbelangen. Seine Grundlagen sind Freiwilligkeit, Eigenverantwortung und Kooperation.
Freiwilligen Vereinbarungen zwischen Staat und Wirtschaft sowie andere neue Instrumente (wie z.B. betriebliche Eigenüberwachung, Umweltmanagementsysteme) gilt es in Zukunft stärker als bisher zu nutzen.
Nur durch einen Paradigmenwechsel lassen sich die Herausforderungen der nächsten Jahre meistern. An die Stelle von Bürokratie, Ordnungsrecht und Kontrolle muss ein intelligentes Zusammenspiel der Umweltgesetzgebung und des Vollzugs treten mit dem Ziel der Kooperation von Staat und Wirtschaft.
Kooperationen zwischen Staat und Wirtschaft bieten die Chance zum Abbau von Bürokratie und können im Sinne von Deregulierung und Verwaltungsvereinfachung einen flexiblen staatlichen Rahmen für die Tätigkeit der Unternehmen in wirtschaftlich schweren Zeiten schaffen. Zudem eröffnen sie auch dem Staat die Möglichkeit, in Zeiten angespannter finanzieller Haushaltslage und eines dadurch drohenden Vollzugsdefizits die bestehenden hohen Umweltstandards aufrechtzuerhalten.
Complianceforum.de:
2) Welchen finanziellen Nutzen können Unternehmen aus einem Umweltmanagement ziehen, wenn sie sich nach EMAS oder ISO 14000 zertifizieren lassen?
Nach einer Untersuchung des Bundesdeutschen Arbeitskreises für Umweltbewusstes Management (B.A.U.M. e.V.) lassen sich rund 2 bis 5% der Gesamtkosten eines Unternehmens durch gezieltes Umweltmanagement einsparen: gesamtwirtschaftlich sind dies rund 20 bis 50 Mrd. Euro. Für die Unternehmen in Bayern ergibt sich danach ein Einsparungspotential in einer Größenordnung zwischen etwa 3 und 8 Mrd. Euro. Die Liste der Maßnahmen mit den größten betrieblichen Kostensenkungseffekten führt der Bereich der Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe an; der Wasser- und Abwasser-, der Energie- und der Entsorgungsbereich folgen. Aber auch beim Verkehr und bei den Verpackungen sind deutliche Einsparungen zu realisieren. Die Kosten für die Einführung eines Umweltmanagementsystems sind meist nach kurzer Zeit amortisiert. Dies beweist: Ökologie und Ökonomie stehen nicht in Widerspruch zueinander, sondern gehen Hand in Hand.
Complianceforum.de:
3) Unterstützt der Freistaat Bayern eine derartige Umweltzertifizierung?
Dr. Matthias Weigand:
Nach dem Bayerischen Umweltberatungs- und Auditprogramm (2006) kann die Einrichtung eines Umweltmanagementsystems unter bestimmten Voraussetzungen und bis zu gewissen Grenzen finanziell gefördert werden.
Darüber hinaus bemüht sich der Freistaat durch verschiedenste Privilegierungen und Anreize (incentives), die Nutzung von Managementsystemen auch staatlicherseits so attraktiv wie möglich zu machen.
Gemäß einer Zusage der Bayerischen Staatsregierung bereits im Umweltpakt Bayern vom 23.10.2000 wurden für EMAS-registrierte Unternehmen die Gebühren im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren mit Wirkung vom 1. September 2001 um 30 % gesenkt (vgl. dazu das Kostenverzeichnis zum Kostengesetz in der Fassung der Verordnung vom 04.11.2008, GVBl. 2008, S. 861, dort lfd. Nr. 8.II.0 Tarifstelle 1.4). Die Antragstellung erfolgt formlos. Es reicht aus, wenn der Antragsteller der Genehmigungsbehörde einen Nachweis der dreijährigen Registrierung vorlegt. Die Behörde berät den Antragsteller entsprechend. Diese Ermäßigung in immissionsschutzrechtlichen Verfahren bringt für EMAS-registrierte Standorte spürbare finanzielle Entlastungen. Beispiel: Bei Investitionskosten von 2,5 Millionen Euro beläuft sich die Gebührenreduzierung auf 5.700,- Euro; bei einem Projekt mit Investitionskosten von 50 Millionen Euro beträgt die Gebührenermäßigung bereits 56.400,- Euro.
Weitere Ermäßigungen erhalten EMAS-registrierte Betriebe bei den Abfallgebühren. Hier sind die Gebühren für die Bestätigung von Entsorgungs- und Sammelentsorgungsnachweisen im Grundverfahren um 50 % reduziert (vgl. Kostenverzeichnis zum Kostengesetz in der Fassung der Verordnung vom 01.07.2009, GVBl. 2009, S. 265, dort lfd. Nr. 8.I.0 Tarifstelle 44.1 und 44.2).
Diese Ermäßigung erhalten auch Entsorgungsfachbetriebe und Betriebe, die andere zertifizierte Umweltmanagementsysteme eingerichtet haben, sofern sie zusätzlich den Nachweis erbringen, dass sie die umweltrechtlichen Vorschriften einhalten, ihre Umweltleistung kontinuierlich verbessern und die Öffentlichkeit über ihre Umweltleistungen informieren (sog. „added values“ von EMAS).
Neben diesen finanziellen Begünstigungen erhalten Unternehmen mit EMAS oder ISO 14001 auch Erleichterungen im Verwaltungsvollzug (z.B. bei der Vorlage von Unterlagen, bei Inspektionsintervallen u.ä.).
Complianceforum.de:
4) Gibt es bestimmte Branchen, für die EMAS besonders empfehlenswert ist?
Dr. Matthias Weigand:
Besonders empfehlenswert ist die Einführung eines Umweltmanagementsystems, z.B. EMAS, für das produzierende Gewerbe. Hier ergeben sich die größten Einsparpotentiale, da der höchste Kostensenkungseffekt im Bereich der Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe zu erzielen ist (vgl. oben Frage 2).
Complianceforum.de:
5) Wenn EMAS durch unabhängige Gutachter bei den Unternehmen geprüft wird, übt der Staat de facto keine Überwachungsfunktion aus. Private Unternehmen werden von privaten Unternehmen kontrolliert, es findet die Privatisierung des Vollzugs statt. Besteht hier nicht die Gefahr, dass es zu Manipulationen bei den Prüfungen kommen kann, die zu einem schwächeren Umweltschutz führen könnten?
Dr. Matthias Weigand:
Derzeit erhalten EMAS-Betriebe finanzielle Erleichterungen, sowie Erleichterungen im Verwaltungsvollzug. Der Staat gibt also keineswegs gänzlich die Kontrolle über die EMAS-Betriebe auf, sondern fährt die Bürokratie und den Vollzug in einigen ausgewählten vertretbaren Bereichen bewusst zurück. Der Gebührenermäßigung liegt in erster Linie die Überlegung zu Grunde, dass EMAS-registrierte Betriebe im Rahmen des genehmigungsrechtlichen Verfahrens zur Verminderung des behördlichen Aufwandes beitragen. Darüber hinaus wird aber gerade im Rahmen der Erleichterung im Verwaltungsvollzug auch der Tatsache Rechnung getragen, dass EMAS-registrierte Betriebe verlässliche Partner für die Verwaltung sind. Sie bieten Gewähr für eine umweltfreundlich Betriebsführung und die Einhaltung geltender Rechtsvorschriften.
Kein System ist unfehlbar, - wie man weiß - übrigens auch das des staatlichen Vollzugs nicht! Die Risiken gilt es selbstverständlich durch bereits im Gesetz vorgesehene externe Prüfungskreise auf Null zu reduzieren (vgl. §§ 15 ff. Umweltauditgesetz). Sie sollten aber nicht als „Totschlagsargument“ gegen die Förderung von Umweltmanagementsystemen verwendet werden. Es besteht sonst allzu leicht die Gefahr, dass man den erheblichen ökologischen und ökonomischen Nutzen der Umweltmanagementsysteme aus dem Blick verliert und deren Mehrwert für Umwelt, Wirtschaft und Staat (win-win-win-Situation) unterschätzt (vgl. oben zum Paradigmenwechsel Frage 1).
Das Interview führte Christian Koch
München, den 4. März 2010